Oder: Sofa vermisst, Zuhause neu gewürfelt – ich brauche einen Stadtplan für meine Wohnung
Eine Reise durch Staub, Deko und existentielle Fragen zur Ausrichtung von Möbeln.
Es begann so harmlos. Ein regnerischer Samstagmorgen, Kaffee dampft, ich voller Tatendrang.
Ich so: „Oh du Sonne meines Herzens – ich hätte da eine Idee.“
Der unschuldige Augenaufschlag danach war filmreif. Ehrlich.
Die Sonne meines Herzens hob eine Augenbraue.
Er weiß genau: Wenn ich so anfange, kommt meist nichts Gutes dabei heraus.
Jedenfalls nicht für ihn.
„Meinst du nicht, wir könnten das ein oder andere Möbelstück ein wenig verrücken?“ – die zweite Augenbraue
schnellt nach oben, Puls leicht erhöht, Fluchtinstinkt erkennbar – „Ich dachte, wir könnten das Schlafzimmer vielleicht
mit dem Wohnzimmer tauschen. Weg von der Straße und dem Treppenhaus. Weg vom Lärm. Schönere Aussicht…“
Er starrte mich an. Ich starrte zurück. Er: „Und wie soll das ganze Wohnzimmer ins Schlafzimmer passen?“
Ich, mit der Überzeugung einer Innenarchitektin auf zu viel Zucker: „Das passt schon irgendwie.“
Tja. Aus dem „irgendwie“ wurde dann ein Wohnungs-Tetris der Hölle.
Das Schlafzimmer zog ins Wohnzimmer, das Wohnzimmer ins Arbeitszimmer – und das Arbeitszimmer …
naja, das arbeitet jetzt irgendwo zwischen Flur und Realitätsverweigerung. Ich hoffe immer noch, dass es
irgendwann dort ankommt – notfalls durch göttliche Intervention.
Ich weiß jetzt, dass Regale schwerer sind, wenn sie nicht dahin wollen, wo ich sie hinstelle. Aber da bin ich Hartnäckig.
Die Sonne meines Herzens hat tapfer durchgehalten – ganz ohne Ohnmachtsanfall oder das klassische
„Ich geh dann mal schnell einkaufen und komme nie wieder“-Gesicht. Heldenmut in Reinform.
Nun habe ich den Salat. Ich schlafe zwischen Kisten, halb ausgeräumten Regalen und zerlegten Schränken.
Schuhe finde ich. Aber nur einzelne. Gilt auch für Socken.
Meine Playstation steht verwaist und stromlos mitten im Schlafzimmer – oder war’s das Wohnzimmer?
Anklagend. Und leicht beleidigt – wie das Mahnmal aufgeräumter Zeiten.
Deko? Ja. Konzept? Frag lieber nicht.
Wenn ich an meinen Computer will, muss ich unter dem Esstisch durchkrabbeln (Limbo hab ich versucht – Orthopädentermin gebucht).
Dann schlängle ich mich an dem auseinandergebauten E-Piano vorbei (Frage an meinen Sohn: Warum steht das nochmal bei mir?)
– nur um festzustellen, dass der XXL-Gamingstuhl sich zwischen Kisten verkeilt hat wie ein trotziges Nashorn. Kein vor oder zurück möglich.
Ok – lasse ich das Nashorn eben schmollen.
Ich sitze also mit dem MacBook auf Sofakissen, die eigentlich gar nicht mehr wissen, ob sie zum Sofa oder zur Notfallbettwäsche gehören.
Wo ich gerade an mein Sofa denke – wo ist das eigentlich abgeblieben? Seit Tagen habe ich es nicht mehr gesehen. Ich glaube, das hat sich selbstständig gemacht.
Mein Bett schläft jetzt im Wohnzimmer – und ich chille dort, wo ich vorher gearbeitet habe. Der Kaffee balanciert auf einem Karton mit der
Aufschrift „Deko Herbst/Winter“ – das passt, weil ich mich genau so fühle: innerlich windig, äußerlich unstrukturiert – und irgendwo dazwischen Koffein.
Zustand meiner Nerven: irgendwo zwischen „Ich kann das alleine“ und „Ich brauche einen Exorzisten für IKEA-Anleitungen“.
Hoffnung auf Erlösung? In weiter Ferne.
Morgen: Quittengelee. Übermorgen: Packen und dann in 3-4 Tagen: Flucht nach TamanGa. Zwei Wochen therapeutisches Nichtstun
und Bäume anschauen, bis die Möbel mich vergessen haben. Ok, vielleicht auch ein wenig arbeiten.
Ein kleines schlechtes Gewissen bleibt natürlich – die Sonne meines Herzens in einer Wohnung zurückzulassen, die aussieht,
als hätte ein hyperaktiver Möbelhausmitarbeiter auf Koffein und LSD hier gewütet.
Aber vielleicht – vielleicht – hat bis Ende November die Zauberfee der Ordnung ein Einsehen.
Denn dann ist Plätzchenzeit, und ich muss wenigstens unfallfrei von der Küche bis zum Backofen kommen.
Bis dahin: Ich suche weiter nach meinem Sofa.
Oder das Sofa mich.
Und wer zuerst den anderen findet, gewinnt – Kaffee auf Lebenszeit.
Warum ich das geschrieben habe?
Weil Selbstfindung manchmal einfach heißt, dass man sein Bett im Wohnzimmer parkt – und die Erkenntnis folgt,
dass innere Ordnung vielleicht erst dann entsteht, wenn die äußere völlig kollabiert.

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