Quittenbrot & Gelee – Zuckerschock in 3 Akten

Akt I – Das Quittengelee der Erkenntnis


Ich bin ja nicht so die Konfitüren-Heldin. Aber aus Gründen stand ich plötzlich hier – bewaffnet mit einem Sparschäler, einem Messer und einer riesigen Tüte Quitten,
die mich schon beim Auspacken streng musterten.

„Na los, Internet, her mit den Rezepten!“, dachte ich. Und das Internet, diese übermotivierte Küchenfee, lieferte natürlich prompt:
erst Rezepte mit 1:1 Gelierzucker. Also ein Kilo Zucker auf ein Kilo Frucht.
Ich hab’s gelesen, leise gelacht – und mir gleich mal den nächsten Zahnarzttermin überlegt.
Dann die „leichtere“ Variante: 1:2 Gelierzucker. Etwas weniger Zucker, immer noch mehr als in einem arabischen Kaffee beim Zuckerfest.

Aber gut, dachte ich – ist ja Gelee.
Also geschnippelt, gekocht, abgeseiht, geschwitzt und den Anschein von Kontrolle gewahrt.

Im Rezept stand:
„Für diese Menge Flüssigkeit: 3 Päckchen Gelierzucker 1:2.“
Nach dem zweiten Päckchen hab ich probiert – und war mir sicher, ich könnte mich direkt bei der Diabetes-Früherkennung anmelden.

Leck die Ziege – wie kann man sowas essen? Das dritte Päckchen habe ich verweigert.

Einfach aus Selbstschutz. Stattdessen: Zitronensaft. Viel Zitronensaft.
Dann habe ich in meinen Küchenschubladen gegraben, bis mir ein altes Päckchen Apfelpektin entgegenfiel –
so verstaubt, dass es wahrscheinlich schon in der Pektin-Hall of Fame war.

Und siehe da: Es hat gebunden.
Ohne weiteren Zucker. Ohne Reue.
Und ich dachte: Vielleicht ist das ja der Anfang einer schönen Freundschaft – zwischen mir und dem Pektin.

Akt II – Wie ich lernte, Pektin zu lieben


Falls ich jemals wieder Gelee koche (was in diesem Leben eher unwahrscheinlich ist), dann nur noch mit Zucker nach Geschmack –
also nach meiner sehr niedrigen, sehr konsequenten Zuckerschmerzgrenze. Gebunden wird ab jetzt mit Pektin.

Und die Haltbarkeit? Mir doch egal.
Dann bewahre ich das eine geöffnete Glas eben im Kühlschrank auf.
Da ist noch Platz – zwischen Senf, Oliven und meinen gescheiterten Hoffnungen auf Minimalismus.

Akt III – Der Quittenkrieg


Nach dieser süßen Nahtoderfahrung stand ich also da – vor ein paar Kilo abgetropfter, weichgekochter Quittenwürfel,
die mich anstarrten. So wie nur Obst starren kann, das eine Erwartung hat.

„Und was ist mit uns?“, schienen sie zu fragen. „Du hast doch versprochen, wir werden Quittenbrot!“
Ich seufzte. Hatte ich wirklich. Also gut. Mixer raus, Würfel rein – glatt püriert, die Zuckerkatastrophe vom Vortag noch deutlich im Hinterkopf.

Nun gut: Diesmal direkt nur 60 % des in den Rezepten vorgesehenen Zuckers.
Ich habe mich für die Old-School-Quittenbrot-Variante entschieden.
Die langsame. Ohne Gelierzeugs.
Nur ehrliche Quitte und wahrhaftiger Zucker.

Und eine „Kochen-und-ständig-Rühren“ – Zeit, die jenseits von Gut und Böse war. Ich wollte ja lernen.
Dann habe ich gekocht.
Und gekocht.
Und gekocht.
Irgendwann begann die Masse zu blubbern wie Lava. Ich schwöre, sie hatte ein Eigenleben.
Jede Blase ein kleiner Feuerdämon, der seine glühenden, riesigen Tropfen bis an die Abzugshaube spuckte.
An den Wänden glänzte dieser Fruchtteer wie eine stille Anklage, und der Herd sah aus wie ein Opferaltar.

Ich suchte nach meiner alten Hoodie-Rüstung, zog die Kapuze tief ins Gesicht, die Ärmel über die Hände,
und bewaffnete mich mit einem Holzlöffel, der aussah, als hätte er schon Kriege gesehen.

Ein paar Minuten früher, und mir wären vielleicht die tropfenförmigen Brandblasen, die der Feuerdämon aus der Quittenhölle hinterlistig geschlagen hatte, erspart geblieben.
45 Minuten Lava-Zähmung. Ich rührte. Ich schwitzte. Ich philosophierte über Lebensentscheidungen und meine neue Küchenwandfarbe.

Dann endlich – fertig. Die Küche: zerstört. Ich: leicht karamellisiert.
Das Ergebnis ist jetzt im Dörrofen. Und – natürlich – viel zu süß.
Aber wenigstens kämpferisch gewonnen.
Ich hatte mir etwas Fruchtiges vorgestellt, bekam aber etwas zwischen Zuckerbeton und Kindheitstrauma.

Also: neue Idee. Ich werde das Zeug nachträglich retten – mit 90-%iger Zartbitterschokolade, gerösteten Nüssen
(mehr zu gerösteten Nüssen und meinem damit einhergehendem Trauma demnächst hier im Blog  „Die Nuss-Affäre – Rösten ohne Reue“),
Zitronensäure und allem, was mir einfällt, um diesen Zuckerschock in ein essbares Konfekt zu verwandeln.

Quitten-Epilog


Ich wollte nur ein paar Quitten verarbeiten. Jetzt habe ich eine Geschichte, Narben auf den Unterarmen und den festen Vorsatz,
nie wieder fremden Rezepten zu vertrauen, die zu 60 % aus Zucker bestehen. Da bleib ich doch lieber bei meinen eigenen.

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2 Antworten zu „Quittenbrot & Gelee – Zuckerschock in 3 Akten“

  1. Avatar von Kerngesund
    Kerngesund

    Köstlich 😋
    – die Quittenmarmelade
    – das Quittenbrot
    – der Text darüber

    Ein Genuss auf ganzer Linie

    1. Avatar von Christin

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